Warum hat eigentlich immer Google Analytics recht?

Von | 19. März 2013

Auf die Gefahr hin, sowohl Leser als auch einen großen Konkurrenten zu verärgern: Kann mir mal jemand erklären, warum in einem Vergleich zwischen Analysetools per se immer Google recht haben soll?

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Situation A: Bin am Telefon mit einem Kunden, der Hilfe bei der Konfiguration der Marketing Channels Reports benötigt (auf die wir bald mal zurückkommen werden, versprochen!). Wir haben die eigentliche Konfiguration schon vor einer Woche erledigt und sehen uns jetzt die Ergebnisse an, sozusagen zwecks Abnahme.

Der Kunde ist unsicher, weil für den „Paid Search“ Kanal viel weniger Visits und Umsatz angezeigt werden als in Google Analytics oder im Adwords Report.

Ich erkläre, daß es Unterschiede gibt bei den Cookielaufzeiten, daß Adwords teilweise auch Konversionen verbucht, die einen ganz anderen Last Touch haben sollten (Beispiel: Kunde kommt per Adwordskampagne, kauft aber nicht. Wir senden ihm eine Email, er kommt zurück und kauft. Last touch ganz klar Email, aber davon weiss Adwords ja nichts, also verbucht es das als Erfolg.), und daß es generell schwierig ist, verschiedene Tools zu vergleichen.

Kunde ist nicht zufrieden, also schlage ich einen kontrollierten Test vor, d.h. wir erfinden ein paar Kampagnen, simulieren einen Kunden und sehen uns hinterher an, ob der Report zu unserer Simulation paßt. Ganz normales Verfahren: Theorie, Versuchsaufbau, Messung. Kunde ist eiverstanden, wir testen.

Wir finden ein falsches Detail in der Konfiguration und reparieren es, wiederholen den Test und er paßt. Ich bin zufrieden. Kunde sieht sich Google Analytics an und da passen die Daten nicht. Ich sehe erwartetes Ergebnis in SiteCatalyst aber nicht in Google Analytics, schließe messerscharf daß Google Analytics falsch liegt. Kunde sucht Fehler in unserer ursprünglichen Logik, denn Google Analytics hat bekanntlich immer recht.

So oder so ähnlich passiert das dauernd. Es ist dabei vollkommen irrelevant, ob mein Gegenüber theoretisch versteht, wo die Unterschiede liegen oder daß 10% Abweichung prinzipbedingt sind – das Resultat ist immer das Gleiche: SiteCatalyst hat gefälligst so zu reporten wie Google Analytics. Manschmal stecken Kunden bemerkenswert viel Geld und Aufwand in solche Anpassungen.

Ich halte das für kontraproduktiv und mindestens überflüssig.

Frage also: Warum tun Leute das?

Mein Verdacht ist, daß gerade Analysen im Bereiche Multichannel Leute interessieren, die in der Vergangenheit am ehesten mit Adwords gearbeitet haben. Ich denke es gibt ein starkes Bedürfnis, den Status Quo zu erhalten.

Zusätzliche Komplexität ist immer schwierig, in diesem Fall besonders weil es hier auch um Politik und Geld geht, also um die Frage wer den größten Etat bekommt.

Nur: Einen Gefallen tut man sich damit nicht. Schließlich ist der Witz an einer Analyse der Marketingkanäle ja gerade, daß man wissen möchte, ob man sein Geld sinnvoll verteilt hat.

Wer ein sorgfältig durchdachtes Szenario in Frage stellt, nur weil Google Analytics andere Zahlen zeigt, tut sich meiner Meinung nach mit „data driven“ generell schwer.

Page Views

Schlimmer ist nur noch Situation B: Kunde zeigt mir einen Page Views Report, in dem die Top 5 nicht mit den meistbesuchten Seiten in Google Analytics übereinstimmen: GA zeigt für die wichtige Landingpage mehr Page Views.

Nun sind Page Views ja recht einfach zu definieren, wir sollten also hier relativ gut vergleichen können. Cookielaufzeiten oder Definitionen von Metriken sollten keine Rolle spielen.

Leider gibt es aber immer noch einen fundamentalen Unterschied zwischen Google Analytics und SiteCatalyst: Die Identifikation von Seiten läuft bei ersterem über die URL während letzterer die s.pageName Variable benutzt.

Und damit sind die Reports wieder unvergleichbar, außer der Kunde hat bei der Implementierung aufgepaßt und alles richtig gemacht. Dann wären wir allerdings jetzt nicht in der Situation und hätten keine Abweichungen.

So oder so gelangen wir schnell wieder an den selben Punkt wie in Situation A: Google Analytics hat recht und SiteCatalyst ist kaputt. Immer. Auch wenn es ganz offensichtlich nicht so ist.

Ich kann das wirklich nicht verstehen.

Deutschland hat eine sehr interessante Beziehung zu Google. Einerseits benutzt jeder die Suche, ob im Browser oder auf der Homepage. Andererseits verpixeln mehr Leute als in jedem anderen Land ihre Häuser in Streetview. Einerseits hat Google Analytics immer recht, andererseits wird nirgendwo sonst so stark gegen die „Datenkrake Google“ gewettert. Einen Vorschlag wie das Leistungsschutzrecht gibt es sonst nirgendwo auf der Welt.

Vielleicht lebe ich schon zu lange im Ausland und habe einfach den Anschluß verloren.

Wer mag kann ja mal in den Kommentaren spekulieren, woran das wohl liegen mag.

</rant>

Sorry.

10 Gedanken zu „Warum hat eigentlich immer Google Analytics recht?

  1. RebRob

    Ein interessanter Artikel und eine interessante These.
    Ich glaube, dass wir an einer Schwelle leben.
    Der Schwelle vor dem großen unbekannten und der wir wollen die Weltherrschaft.
    Google Street View ist ein sehr gutes Beispiel.
    Es kann ja wirklich nicht sein, dass andere öffentlich fotografieren und das dann ins Netz stellen. Aber das tausende von Fotos in Socialen Netzwerken wie facebook kurisieren, scheint keinen zu stören.
    Es liegt wohl an der richtigen Propaganda.

    Antworten
  2. Emanuel Bächtiger (@bae911)

    Genau das gleiche Szenario kenne ich auch. Ein möglicher Grund ist, dass man die Daten in SiteCatalyst validieren möchte, was natürlich nur teilweise möglich ist / nicht sinnvoll ist.

    Ich denke das Problem liegt darin, dass Google Analytics relativ einfach aufgebaut, sehr übersichtlich ist und jeder damit klar kommt. Es funktioniert vieles out-of-the box. Durch diese „Einfachheit“ weckt man bei den Laien das Gefühl, dass Google Analytics richtig funktioniert und das Tool somit immer recht hat.

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    1. jexner

      Guter Punkt, das könnte in der Tat eine Rolle spielen.

      Den ersten Punkt versuche ich normalerweise mit den erwähnten „kontrollierten Tests“ zu attackieren, also über ein definiertes Szenario, bei dem vorher schon klar ist, was hinterher im Report stehen sollte.

      Antworten
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