Stéphane Hamel – A Manifesto for Radical Analytics

Von | 6. September 2016

Vor etwa zwei Wochen, vermutlich nach einem anstrengenden oder frustrierenden Tag, postete Stéphane Hamel A Manifesto for Radical Analytics. Enthalten sind 8 Punkte, die auf ganz verschiedenen Ebenen unsere Arbeitsweise und -ethik in Frage stellen.

Ein Manifesto ist tendenziell immer radikal. Dieses Manifesto hat dazu noch „radikal“ im Namen. Es verspricht also recht viel frischen Wind. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, hatte es mich dann beim ersten Lesen ein wenig enttäuscht. Zu viel „ja, sehe ich genau so“ und zuwenig „WTF???“ für etwas, was sich „radikal“ nennt.

Mittlerweile jedoch sind bei uns bei Adobe ein paar Diskussionen aufgeflammt. Insbesondere zu den Punkten 4 („Never ask, always propose“) und 6 („Don’t seek executive buy-in“) sind ein paar meiner Kollegen ganz anderer Meinung. Je mehr ich das diskutiere, desto mehr bin ich auf Stéphanes Seite, und desto mehr sehe ich, wie radikal sein Manifesto wirklich ist, und wie sehr wir es als Branche brauchen.

Da ich Euch gar nicht lange vom Lesen des Manifestos abhalten möchte, will ich nur die zwei Themen kurz aufgreifen, die wir intern diskutieren.

„Never ask, always propose“

Meine Kollegen sind hier Sturm gelaufen, weil sie das wie „ignoriere die Anforderungen des Kunden“ gelesen haben. Ich habe zunächst erwidert, dass es eigentlich eher darum geht, den Kunden gezielt aus den „wie machen wir es“ Entscheidungen herauszunehmen, also aus taktischen Fragen.

Das ist irgendwie ziemlich offensichtlich, denn wir — die Consultants — sind ja die Experten.

Und mittlerweile denke ich, dass „never ask, always propose“ sogar sinnvoller ist, wenn es sehr viel weiter geht, weiter sogar als „ignoriere die Anforderungen des Kunden“.

Wir müssen selbstverständlich wissen, was der aktuelle Fokus des Kunden ist, des Unternehmens. Wachstum? Kostenersparnis? Richtungsänderung? Je nach unserer individuellen Schmerzfreiheit könnte uns auch interessieren, was die persönlichen Ziele unserers direkten Ansprechpartners sind, aber darüber hinaus wissen wir es besser. Das muss man sich einfach immer wieder klar machen.

Bei unseren Kunden sind zur Zeit noch relativ wenige digital natives. Wir sind zumeist wenigstens digitally fluent. Das gibt uns das Recht und die Pflicht, unsere Gedanken auszusprechen, und zwar über unser direktes Mandat hinaus.

Wenn unsere Kunden irgendwelchen Unsinn planen, weil sie nicht besser wissen, dann müssen wir ihnen zeigen, dass (und dann wie) es besser geht.

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„Don’t seek executive buy-in“

Auch dieser Punkt ist bei uns umstritten, hier geht es auch wirklich eher um Lesart. Klar ist: Wenn das Management nicht will, dass jemand berät, dann ist der jemand zum Scheitern verurteilt, ausser man schafft es trotzdem unter dem Radar.

Womit man aber vorsichtig sein muss, das ist eine zu frühe Einmischung von oben. Das führt gerne zu allen möglichen „anti-agile“ Rahmenbedingungen.

Und es geht ja auch nicht darum, executive buy-in zu vermeiden, sondern seine Zeit nicht darauf zu verschwenden, sondern für sinnvolle, inkrementelle Änderungen zu nutzen. Die sprechen dann für sich.

Das Manifesto

Ich persönlich finde das Manifesto mittlerweil ebenso wichtig wie radikal. Es ist ein toller Anstoss, ein nötiger Weckruf.

Interessant finde ich, dass in Diskussionen mit Kunden bisher recht wenig Einwände kamen, insbesondere zum Punkt 4. Mir scheint (und das basiert auf einem sehr kleinen Panel) dass Kunden durchaus hören wollen, was wir ihnen vorschlagen.

Ein paar Fragen bleiben offen, z.B. gilt Punkt 6 unabhängig von der Grösse eines Projektes? Oder ist der Punkt implizit eine Aufforderung, keine Mammutprojekte in der Analytics zu machen? Was sind sinnvolle Kennzahlen für Punkt 2?

Es gibt auch eine wundervolle Metadiskussion: Wie helfen wir (Consultants, Analysten) unseren Mitstreitern (also denen, die Analyticsdaten nutzen wollen) am besten, wenn diese sich auf radical analytics einlassen wollen?

Denn eins ist ja klar: Wenn nur wir dem Manifesto folgen, dann wird es nicht weit kommen.

Mich interessieren heute:

– Eure Meinung zum Manifesto generell. Wichtig? Unsinn? Sinnvoll?
– Eure Meinung zu einzelnen Punkten
– Eure Ideen zum „Wie?“

Ach ja: Lasst uns alle bei der dmexco mit „Manifesto for Radical Analytics“ T-Shirts auflaufen. Diese Diskussion ist wichtig!

3 Gedanken zu „Stéphane Hamel – A Manifesto for Radical Analytics

  1. Michael Riha

    Hi Jan,

    Ja zu Punkt 4 und 6 auch aus meiner Sicht. Gerade 4 ist nicht nur für den Consultant, sondern für den gesamte Customer Life Cycle wichtig. Und zusätzlich: Don’t do verticals. Die Leute kennen ihr Business, suchen aber Ideen/Tips/Anregungen von außerhalb. Die meisten Kunden sind auch dankbar für Vorschläge, oft schränken sie sich von vornherein selber durch ihre vorgefasste Meinung/Prozesse/KPIs etc. ein.

    In den 90ern haben wir den Kunden empfohlen, online zu gehen, das wollten viele gar nicht und oft auch gegen den Widerstand der Execs. Also ist auch Punkt 6 absolut valide. Der Exec genehmigt und ein guter Manager hat gute Leute, die machen das und er segnet ab. Ein Exec, der involviert ist, ist ein Hindernis beim Doing.

    Ansonsten habe ich das Manifest kurz überflogen, mein Kommentar: Die Kunden analysieren eh schon viel zu viel und je mehr Daten sie haben, um so mehr verstecken sie sich hinter den Analysen und Auswertungen anstelle sich mit den Bedürfnissen ihrer Klienten tatsächlich auseinander zu setzen. Der Unsinn, der dabei rauskommt ist vor allem in der ‚Personalisierung‘ deutlich zu erkennen…

    Bis nächste Woche in Köln, ich bräuchte T-Shirt Größe L!

    Michael

    Antworten
    1. Jan Exner

      Danke Dir!

      Ich bin leider gar nicht in Köln, aber Till Büttner macht ein T-Shirt. Kann er Dir ja auch eins machen, wenn Du willst.

      Antworten
  2. Bijan

    Die Berater sollen dem Kunden helfen, sollen lehren, sollen ergänzen und klären, sollen ein Teil ihres umfangreichen Wissens, best practises und auch pitfalls darlegen, sie sollen bremsen und steuern, gas geben und bewahren und sie sollen sich am Ende des Tages überflüssig machen und Gutes da lassen.

    Dass das sehr viel Arbeit ist und zu manch schweren Diskussionen führt ist klar, aber dafür sind sie ja da. Viel zu wenige tun das auch wirklich, haben die Eier dem Management deutlich zu machen was zu tun ist und was nicht, dass daraus jemand irgendwann so ein Manifest erstellt ist nachvollziehbar.

    Nein ich bin nicht mit allem einverstanden und, radikal, naja… stellenweise.

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