3 Dimensionen der „Personalisierung“

Von | 4. Juli 2017

Wisst Ihr noch, wie ich reagiere, wenn jemand „Engagement“ sagt, ohne mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft zu malen? Ähnlich geht es mir mittlerweile auch mit „Personalisierung“ und „Targeting“.

Heute erzähle ich warum. Und wie man mich besänftigen kann.

Das Problem

Das Problem mit Begriffen wie „Engagement“ oder „Personalisierung“ ist ja, dass man sich sehr gut dahinter verstecken kann, weil sie abstrakt sind. Man kann wunderbar „Personalisierung“ besprechen auf einem Level, auf dem nachher trotzdem niemand weiss, wer eigentlich genau was tun muss, und was dabei herauskommen soll.

Das ist natürlich bei allen Fachbegriffen so, und man hört ja auch immer wieder den gut gemeinten Vorschlag, anstatt „Visits Metrik“ lieber „gnxffd“ zu sagen, weil dann eben sofort jedem klar ist, dass da eine Definition dahintersteckt, die verstanden werden will.

Mein Eindruck ist, dass Begriffe wie „Enagagement“, „Personalisierung“, „Targeting“ und andere besonders gerne missverstanden werden, und da ich zufällig die Kontrolle über eine Plattform habe, auf der man sowas definieren kann (vulgo „Blog“), nehme ich mir jetzt die Freiheit und schlage eine Kategorisierung vor.

Der Ansatz

Ich würde gern den Begriff „Personalisierung“ von drei Seiten definieren.

  1. Ziel – eine Person versus eine Gruppe
  2. Auswahlkriterien – anonym versus spezifisch
  3. Technik – weil’s Spass macht der Bezug zur Experience Cloud

So in die Zange genommen sollte eigentlich kein Entkommen mehr sein, und damit wäre das Ziel (universelles Verständnis) erreicht.

Warum habe ich genau diese 3 Dimensionen gewählt? Bauchgefühl. Wer bessere hat, mag sie bitte in den Kommentaren zur Schau stellen. Ich bin gerne bereit, eine bessere Version dieses Artikels zu schreiben, wenn wir uns als Gruppe auf bessere Kriterien einigen!

Ganz knapp an den Top 3 vorbeigeschrammt ist übrigens der Aspekt „Strategie“, auch bekannt als „Was genau wollen wir eigentlich langfristig erreichen?“

Ziel – Individuum versus Gruppe

Der Name „Ziel“ ist für diesen Aspekt sicher nicht ideal. Es geht mir darum, an wen genau sich die „Personalisierung“ wendet, bzw. ob es um gezielte Ansprache einer Person geht, oder einer Gruppe („Audience“ oder „Segment“).

Viele Leute unterscheiden das auch begrifflich. „Personalisierung“ wäre dann individuelle Ansprache, „Targeting“ wenn man eine Gruppe anspricht. Kann man so machen.

Was ich an diesem Aspekt so wichtig finde, ist dass Ansprache einer Gruppe für den Grossteil aller Kunden und use cases, die mir bisher begegnet sind vollkommen ausreicht, dass aber die meisten Kunden denken, man bräuchte unbedingt persönliche Ansprache.

Beispiel Ansprache von potentiellen Kunden, die etwas im Warenkorb „liegengelassen haben“ — Das Kriterium für die Ansprache ist hier nicht, was im Warenkorb liegt, sondern dass dort etwas liegt. Und das ist bei einer ganzen Gruppe von Visitors der Fall.

Auch meine Ansprache muss nicht individuell sein, sondern ich kann solche Visitors ganz einfach auffordern, ihren Einkauf zu vollenden.

Selbst wenn ich spezifisch sein möchte („Sie haben 1 Rapsberry Pi 3 im Warenkorb, kaufen Sie ihn doch jetzt! Wir wissen doch alle, dass Sie ihn wollen!“), kann ich in der Ansprache einen Platzhalter „$PRODUCT“ unterbringen, der erst im Browser ausgelesen und eingesetzt wird.

Ich stelle die Behauptung auf, dass man mit Ansprache einer Gruppe weit mehr erreichen kann, als man denkt, und dass man das zuerst tun sollte!

Bzw, und das macht die Sache nicht einfacher: Man sollte sich im Klaren darüber sein, auf welchem Level man Gruppe oder Individuum anspricht. Mein Beispiel mit dem Platzhalter ist im Endeffekt (also aus Sicht der Visitor) eine persönliche Ansprache, aus Sicht des Personalisierungstools vielleicht nicht.

Auswahlkriterien – anonym versus spezifisch

Wenn ich „personalisieren“ will, dann muss ich Visitor ansprechen. Dafür muss ich für jeden Visitor entscheiden, ob und wie ich ansprechen möchte. Um die Kriterien für diese Entscheidung geht es hier, und unterscheiden möchte ich anonyme von PII-lastigen.

Anonyme Kriterien sind solche wie „hat etwas im Warenkorb“, „hat schonmal den car configurator durchgemacht“, „benutzt ein iPhone“, „ist Kunde“, sogar „ist guter Kunde“.

Alle diese Kriterien sind anonym in dem Sinne, dass ich aus Kenntnis eines Kriteriums (z.B. „ist guter Kunde“) nicht herleiten kann, um wen es sich handelt.

Wenn ich mit Analytics, Audience Manager, Target oder Media Optimizer arbeite, dann sind alle Daten die ich sammle anonym, und alle Segmente die ich nutze ebenfalls. Was ist aber mit anderen Tools, wie z.B. Campaign oder AEM?

Interessant wird es mit Kriterien oder Segmenten wie „interessiert sich für Artikel über den FC Basel“. Das kann anonym sein, wenn es in einem Analyticstool aus der Historie hergeleitet wird, es kann aber auch persönlich sein, wenn es nämlich vom Visitor auf der Site nach Login ganz explizit angekreuzt wurde.

Solche Situationen sind anders, denn hier geht es eben wirklich darum, den Inhalt der Seite oder der Site auf die ganz spezifischen Vorlieben einer Person zu „personalisieren“.

An dieser Stelle wird auch klar, warum man klar absprechen muss, was man mit „Personalisierung“ meint, denn wenn ich einem Kunden den Fall „Interessen sind abgeleitet vom Browsingverhalten“ implementiere, der Kunde aber eigentlich wollte, dass ich auf explizite Einstellungen hin „personalisiere“, dann sind wir hinterher nicht glücklich.

Mein Bauchgefühl meint, viele (besonders Neu-) Kunden laufen hier in die grösste Falle, wenn es um „Personalisierung“ geht, sie gehen nämlich davon aus, dass man für „Personalisierung“ grundsätzlich Kriterien der zweiten Art anlegen muss. Das ist natürlich nicht der Fall!

Es scheint mir sogar sinnvoll zu sein, nicht direkt mit Kriterien der zweiten Art anzufangen. Mit Analytics und Target allein kann man bereits eine Website sehr gut optimieren, bevor man beginnt, Einzelpersonen anzusprechen. Dabei lernt man auch gleich — sozusagen in kleinerem Rahmen — was es bedeutet, wenn man „personalisiert“. Das geht ja über das Tool hinaus, z.B. muss Content generiert werden.

Ein simpler A/B-Test, oder eine „Personalisierungskampagne“ ist ein guter Einstieg in’s Thema.

Technik

Weiter oben habe ich schon erwähnt, dass sich die Unterscheidung zwischen anonym und „PII“ auch durch die Experience Cloud zieht. Auf der einen Seite stehen Analytics, Target, Audience Manager und Media Optimizier, die alle nur anonyme Daten verarbeiten und speichern, und die auf Basis dieser anonymen Daten Content ausspielen können oder auch mal nicht.

Auf der anderen Seite steht Campaign, quasi alleine, als das Tool, mit dem ich gezielt Personen anspreche. Campaign versendet Emails oder SMS, man muss sich also von seinen Kunden explizit Emailadressen oder Telefonnummern holen, plus das Einverständnis, dass man diese verwenden darf.

Ein wenig zwischen den Stühlen findet sich AEM. Ich kann auf der Basis von AEM Websites bauen, die komplett ohne Daten von Besuchern auskommen (und ich kann trotzdem „personalisieren“, z.B. mit Target), ich kann aber durchaus auch geschützte Bereiche mit Logins bauen, und wie oben schon erwähnt die Besucher bitten, explizit Vorlieben anzugeben.

AEM erlaubt praktisch beliebig Freiraum, man kann es z.B. auch an ein CRM koppeln und hat dann Zugriff auf PII und kann das für die Site nutzen.

Um mal die Komplexität etwas zu reduzieren:

Wenn ich Besucher explizit persönlich ansprechen möchte, dann kann ich das mit AEM und Campaign tun.

Wenn ich Benutzer ansprechen möchte, aber anonym, dann nehme ich Target und Media Optimizer. Die Daten dazu sammle ich mit Audience Manager, Analytics und Media Optimizer, vermutlich mithilfe eines Data Layers auf AEM.

Was nicht geht, ist eine Mischung. Bzw. es kommt drauf an.

Beispiel „Interessen“. Besucherin hat sich eingeloggt und angekreuzt, dass sie sich für den FC Basel interessiert. Da könnte ich einfach mit AEM oder Campaign drauf reagieren und irgendwo auf jeder Seite eine Liste von Artikeln zum FC Basel anzeigen.

Nun ist die Besucherin aber bei den letzten 3 Besuchen immer mehr auf Artikeln zu Schalke 04 gewesen, weswegen es vielleicht sinnvoll wäre, das als „implzites Interesse“ auch zu berücksichtigen.

Zwei Mögliche Wege:

  1. Man baut eine zweite Sidebar, in der Artikel angezeigt werden, die zum Browsingverhalten passen. Ergebnis wäre dann, dass an zwei Stellen der Seite unterschiedliche Dinge vorgeschlagen werden, einmal basierend auf expliziten Interessen, einmal auf impliziten.
  2. Man baut Logik, die solche „impliziten Interessen“ erkennt und dann automatisch den expliziten hinzufügt. Wie man das macht, sei erstmal dahingestellt.

Was nicht geht, wäre eine direkte Überführung von Daten aus Analytics zu Campaign, denn Analytics arbeitet mit anonymen und aggregierten Daten, Campaign jedoch mit persönlichen Details.

Das soll erstmal reichen. Wer Fragen hat: Nur zu!

Ein Gedanke zu „3 Dimensionen der „Personalisierung“

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