Ein Tagesausflug in’s Action Land

Von | 3. November 2015

Ganz kurze Einleitung, falls irgendwer hier es geschafft haben sollte, noch nie vom „action land“ gehört zu haben: Das ist ein Konzept aus dem Buch Web Analytics Action Hero meines Kollegen Brent Dykes. Brent beschreibt unser Tagesgeschäft als Dualität aus „setup land“ und „action land“. Sein Punkt ist, dass wir es i.A. zu wenig darauf anlegen, im action land zu sein, obwohl da doch eigentlich unsere Chance liegt, wertvoll zu arbeiten.

Ich kann seinem Punkt nur aus vollem Herzen zustimmen.

Wenn ich einen schlechten Tag habe, behaupte ich manchmal, dass ich in Europa Niemanden kenne, der jemals im action land war. Und obwohl das übertrieben sein dürfte, ist es von der Realität nicht weit entfernt.

Um es ganz klar zu sagen: Das soll keine Schuldzuweisung sein! Ich weiss auch, dass es viele Gründe gibt.

Zwei Aspekte der action land Geschichte möchte ich heute mal breittreten, weil sie wichtig sind und nicht so offensichtlich.

Tagesausflüge

In Brent’s Buch und allen seinen Präsentationen stellt er das action land immer wie einen Vergnügungspark dar (Europapark für die im Süden, Heidepark Soltau für die im Norden). Ich bin noch nie mit meinen Kindern in einem solchen Park gewesen, aber ich weiss, was ich dafür tun müsste:

  1. Planen, einen Tag herauspicken an dem alle Zeit haben und hoffentlich das Wetter gut ist
  2. Packen, also all die Dinge mitnehmen, die 6 Leute an einem Tag so brauchen und konsumieren: Pullover, Jacken, Windeln, Wasser, Picknick
  3. ggfs. tanken
  4. Anfahrt, mit 4 Kindern im Auto nur dann ein Spass, wenn es schnell geht, tut es aber nicht
  5. Parkplatz finden, parken, die Herde sicher über den Parkplatz lotsen
  6. Eintritt zahlen (aua!)

Das setup land in unserer Branche ist da nicht ganz unähnlich. Wir müssen zahlreiche Dinge tun, bevor wir Daten vernünftig sammeln, d.h. relevant, präzise genug, verständlich, etcpp.

Ratet mal, wieviel Lust ich habe, die ganzen Vorbereitungen zu machen…

So, jezt kommt aber der Kicker: Am Abend macht der Park zu und wir fahren wieder nach Hause. Meine Kinder wollen aber nicht gehen, bzw. sie wollen wiederkommen.

Ratet mal, wieviel Lust ich habe, die ganzen Vorbereitungen nochmal zu machen…

Tja.

Dumm am action land: man fliegt auch da wieder raus, und zwar sobald man mit der action durch ist.

Wer glaubt, dass man die ganze setup land Geschichte einmal macht, und nur einmal, der hat sich leider getäuscht. Siehe auch Immplementierungsphase == doof. Ich bin mir fast 100% sicher, dass kaum einer in unserer Branche das berücksichtigt. Das ist der Punkt, an dem unsere Kollegen in den USA uns um Jahre voraus sind!

Und jetzt denken wir an unsere Kollegen im Marketing oder in der Entwicklung. Woher sollen die das wissen, wenn wir es schon nicht tun?

Steile These: Niemandem in Europa ist bewusst, dass man nicht „im action land ist“, sondern dass man Tagesausflüge dorthin unternimmt.

Aber, liebe Leser: Ihr wisst das jetzt!

Crawl, Walk, Run

Ich weiss gar nicht, ob ich meine Vorliebe für kleine Schritte, agile und den „crawl, walk, run“ Ansatz hier nochmal kundtun muss, wissen sicher mittlerweile alle. Und ist ja auch nicht wirkich revolutionär.

Frage: Ist eigentlich allen klar, was crawl, walk, run genau bedeutet, bzw. worauf es sich bezieht?

Der Sinn ist ja, dass man lernt, Erfahrung sammelt. Das bedeutet nicht „wir gucken uns erstmal nur Page Views an, später wollen wir aber natürlich auch Visits und Visitors analysieren“, sondern es klappt dann gut, wenn man jedesmal end-to-end komplett alles tut, was nötig ist.

Oder, um wieder Brents action land heranzuziehen: crawl ist ein kurzer Tagesausflug in’s action land, bei dem wir nur ein Eis kaufen und uns kurz umsehen. Walk ist, wenn wir wieder hinfahren und Karussel fahren. Und run ist, wenn wir den ganzen Tag dort sind, inklusive Picknick, Achterbahn, Erinnerungsfoto und dem ganzen Klimbim.

Der wirklich wichtige Punkt dabei ist, dass wir jedesmal auch die ganze Vorbereitung haben! Der Weg in’s action land geht zwangsläufig immer durch’s setup land. Jedesmal wieder.

Und das ist a) gut so und b) gewünscht, denn nur so werden wir besser darin.

Das mit den Kindern und der Vorbereitung wird irgendwann immer routinierter. Ich habe z.B. oben vollkommen vergessen, die Kinder vor der Abfahrt nochmal auf’s Klo zu schicken, was wir beim ersten Trip dann sicher bereut hätten. Ich kenne Leute, die machen sich für solche Dinge Checklisten!

Man kann über das setup land denken, was man will („langweilig“, „doof“, „anstrengend“, …), nur wer es bewusst immer wieder einbezieht wird es irgendwann souverän bereisen.

Man ist sich manchmal gar nicht bewusst, wie wichtig ein „jaja, das kenne ich, da müssen wir …“ ist. Erfahrung trumpft!

Mein Prämisse war, dass beide Aspekte („Tagesausflug“ und „Routine inkl Vorbereitungen“) nicht offensichtlich sind. Ob das stimmt, kann ich nur vermuten. Wie seht Ihr das?

8 Gedanken zu „Ein Tagesausflug in’s Action Land

  1. Till

    Leider ist es aus meiner Erfahrung auch so, dass das Setup Land fast immer nur einmal besucht wird, weil es als anstrengend empfunden wird. Das Action Land ist für die meisten nur vom Zaun her bekannt oder weil man am Anfang mal ein Eis von dort gereicht bekommen hat.
    Dabei ist das Setup Land mit unseren heutigen Mitteln eigentlich nur in schöner Platz den man regelmäßig besuchen kann ohne Stress zu haben. TMS helfen sehr dabei. Auch eine einfach geführte Excel Liste (oder Datenbank,…) mit dem was man gerade wie und wo trackt ist nicht schwierig. Man kann es sogar automatisieren wenn man möchte.
    Danach ist der Weg ins Action Land auch einfacher und man kann sich dort austoben.

    Oft scheitert es am Interesse von oben oder daran dass es zuwebig Ressourcen gibt, die dann alles Mögliche machen müssen und sich dann für ein gutes initiales Setup keine Zeit nehmen. Es findet dann zu wenig Austausch statt. Oder es hapert daran dass niemand dafür brennt, das niemand predigt wie wichtig das ganze ist und was für ein Mehrwert es bietet.

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      1. Till

        Du brauchst jemanden der dies vertreten kann. Egal ob es ein Analyst in Personalunion ist (ja Unicorns und so, aber es gibt sie) oder Vorgesetzte die verstehen das es wichtig ist oder einen Politiker. Wichtig ist, dass man sich Gehörr verschafft.

        Übrigens bin ich der Meinung, dass man dies lernen kann.

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  2. Bijan

    Hi Jan,
    lese ich da eine Mischung aus Begeisterung und Frust, aus Erkenntnis und *-Mangel?

    Endlich, endlich bin ich mal nicht Deiner Meinung, denn ich glaube es gibt schon so einige Leute die genau das leben. Sie leben die Setup(-land Aufenthalte) und die darauf folgenden möglichen Action(-land Vergnügungen). Vielleicht nicht in der Größe und dem Umfang, den Du Dir (und sicher auch Brent) vorstellst, aber ich kenne Setup- und Actionlandhelden. Vermutlich sind diese auch nicht so extrovertiert um es zu erkennen oder sitzen in Unternehmungen die auf andere Tools setzen 😉

    Die Herausforderung dabei ist ‚lediglich‘, dass Ihnen der Raum dafür gegeben werden muß und das wiederum kann nur aus der Forderung ihn haben zu wollen resultieren – aber wie immer im Leben; bist Du nicht bereit die Konsequenzen Deines Handelns zu tragen hast Du schon verloren und im Umkehrschluß bedeutet das: Hast Du Bock auf die Konsequenzen – dann handel(fordere)!

    Ergo – und das ist der Punkt den ich am Ende natürlich auch sehe, muß an anderer Stelle geschult werden damit das so großflächig wird, damit auch Du es mit Zufriedenheit sehen kannst. Allerdings glaube ich auch, dass das leider nicht passieren wird (Zeit & Geld (vermeintlich), Eigenmotivation, KnowHow, Struktur, ‚Verkauf‘ 🙁

    Antworten
    1. Till

      Ergo – und das ist der Punkt den ich am Ende natürlich auch sehe, muß an anderer Stelle geschult werden damit das so großflächig wird, damit auch Du es mit Zufriedenheit sehen kannst. Allerdings glaube ich auch, dass das leider nicht passieren wird (Zeit & Geld (vermeintlich), Eigenmotivation, KnowHow, Struktur, ‘Verkauf’

      Meines Erachtens muss vor allem noch mehr in die Nachwuchsarbeit im Bereich der Web/Digital-Analyse getan werden. Es gibt zu wenig Spezialisten und zu viele dies das Thema mal nebenher machen, da es keine Prio im Unternehmen oder keine Bock darauf hat.

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      1. Jan Exner

        Vielleicht fehlt auch noch „Öffentlichkeitsarbeit“.

        Wir haben vermutlich das Problem, dass unsere Arbeit von aussen langweilig aussieht.

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  3. Pingback: Checkliste – Vom Bedarf zum Code | Webanalyse auf Deutsch

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