Webanalyse? Kommunikation!

Von | 6. Mai 2014

Im November 2011 postete Stéphane Hamel (bekannt sicher auch wegen seines Tools WASP) einen kurzen aber schmerzlosen Artikel namens The Ultimate Definition of Analytics.

Die Definition lautete damals: „Analytics is the process of obtaining an optimal and realistic decision based on existing data.“

Im Dezember erschien eine Antwort von Justin Cutroni names Radically Rethinking Web Analytics. Justin unterteilte damals das Feld in solche, die „Digital Analytics“ machen („Fortgeschrittene“) und solche die noch „Web Analytics“ machen („das Fußvolk“). Er war damals enttäuscht, wieviel Fußvolk noch unterwegs war.

Er schlug zwei Lösungen vor:

  1. Informieren, Schulungen, Blogs, Podcasts, Meetings, …
  2. Webanalyse abschaffen (bzw. die eigentliche Datensammlung + Analyse vollständig zu automatisieren und auf Aktion konzentrieren)

Letzteres ist nicht eingetreten, zumindest bisher nicht. Ob das gut oder schlecht ist, will ich gar nicht bewerten. Ist ja auch egal. Aber ersteres ist auch heute (immerhin über 2 Jahre später!) noch so aktuell wie damals.

Sind wir doof?

2 Jahre später und wir sind immer noch auf dem gleichen Niveau? Da muß man sich ja fragen: Wie kommt denn das? Sind wir doof? Kann ja nicht sein!

Irgendetwas ist doch faul, wenn eine komplette Industrie inklusive aller Benutzer in 2 Jahren praktisch nichts dazugelernt hat, oder?

Sind die Hersteller daran schuld? Ich würde sagen nein. Ich bin natürlich parteiisch und auch sicher kein Experte für Tools anderer Hersteller, aber selbst mit meinem omnipotenten Halbwissen wage ich mal zu behaupten, daß alle Hersteller in den letzten 2 Jahren einiges an Neuigkeiten gebracht haben, und gerade was „Analyse übers Web hinaus“ angeht.

Sind die Benutzer schuld? Haben wir es mit einem Beruf zu tun, der keiner sein will? Glaube ich nicht. Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen (dieses Blog entstand wegen so einer Ausnahme) habe ich mit motivierten und durchaus begabten Menschen zu tun gehabt.

Dann sind’s die Firmen? Geben ihren Analysten halt nicht die Ressourcen oder die nötige Freiheit oder Entscheidungsgewalt! Auch das halte ich nur für einen Teil der Wahrheit. Wenn man das Organigramm nach oben verfolgt, kommt immer früher oder später jemand, der sehr gut versteht, was mit Analyse möglich ist.

Vielleicht ist das Thema zu schnell oder zu vage oder zu komplex? Vielleicht tun wir alle unser bestes, aber außerhalb unserer Zunft hören wir uns an wie ein fiebriges Baby mit Halluzinationen? „BlablablaBouncerate“? Vielleicht würde es helfen, wenn wir unser Vokabular vereinfachten? Oder gar nicht mehr von Analysen reden, sondern nur den daraus abgeleiteten Ideen und Aktivitäten?

Anstatt „blablabla Visits blablabla bounce rate blablabla conversion rate blabla A/B Test blablabla revenue“ vielleicht einfach „Hey, wenn wir den orangenen ‚Buy‘ Knopf weiter nach oben setzen könnten, würde unsere Site besser funktionieren“.

Klingt zu simpel.

Simpel

Aber dann schrieb Daniel Waisberg im März 2012 einen Artikel namens Web Analytics Experts – Lessons From Lego, in dem er 3 Lektionen anführt. Und wenn ich mir das jetzt nochmal so durchlese (und meine Verwunderung verflogen ist, daß auch dieser Artikel heute noch relevant ist), dann sind seine Tips Nummer 2 & 3 eigentlich nichts anderes als das: Ein Aufruf, mit den eigentlichen Nutzern der Daten eine ganz einfache Sprache zu sprechen, damit die das verstehen und damit was anfangen können.

Ich bin zwar kein Wissenschaftler, verstehe aber Occam’s Razor und bin überzeugt, daß viel Wahrheit in diesem Prinzip steckt.

Wenn ich mir meine (sicher unvollständige) Liste oben unter diesem Gesichtspunkt ansehe, dann gibt es eigentlich nur eine Schlußfolgerung: Daniels Aufruf ist der Schlüssel — wir müssen besser (einfacher!) kommunizieren!

Jeder der schon mehr als einen Artikel von mir gelesen hat weiß, wie sehr mir das Thema Komplexität am Herz liegt. Ich habe mehr als 5 Jahre meiner Zeit bei Omniture und Adobe damit verbracht, gordische Knoten zu lösen damit Leute überhaupt wieder den Wald sehen konnten.

Daher möchte ich zwei Jahre nach den Artikeln meiner 3 Kollegen einstimmen in den Chor und es nochmal ganz klar sagen:

Wir müssen unseren Kollegen in verständlicher Form mitteilen, was wir herausgefunden haben. Und zwar nur das, was für sie relevant ist. Und so einfach wie möglich.

Sonst kommen wir nie auf einen grünen Zweig und Justins zweite Option wird irgendwann die einzig funktionierende Lösung. Das will ich nicht!

5 Gedanken zu „Webanalyse? Kommunikation!

  1. nic Diefenbach

    Hm, aus Beratersicht kommt es mir eher wie ein systemisches Problem vor. Organisationen sind oft auf den Normalfall ausgelegt. Änderungen sind da hinderlich. Analyse ist also ein Prozess, der mit einem Paper endet und besser keine anderen Prozesse stört. Selbst eine gute Geschichte stößt da schnell auf taube Ohren.
    Und Manager hätten gerne Business Cases mit harten Fakten („tue A und steigere um B“), die es aber noch gar nicht gibt, weil es nur eine datengestützte Hypothese ist. Könnte man testen. Die Geschichte „Lass uns A testen, damit wir wissen, ob es nennenswerten Enfluss auf B hat“, klingt aber schon weniger sexy.
    Und Analysten sind oft sehr fokussiert („wenn mich jemand nach der Zahl Z fragen würde, hätte ich die“), anstatt über Zahlen hinaus fantasievolle Hypothesen aufzustellen.

    Alles drei zusammen funktioniert in sich gut mit viel Reporting von Zahlen und wenigen Änderungen.
    Alternativ funktioniert es auch gut – verlangt aber von allen Beteiligten Offenheit und Risikofreude.
    Als Mix funktioniert es nicht so gut – und das erzeugt oft interne Unstimmigkeiten.

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    1. Jan Exner

      Hm…

      Im Vergleich mit SEA (wo es meiner Erfahrung nach weitaus dynamischer zugeht) wäre dann „unser“ Problem, dass das Feld weiter ist? Größere Entfernung zwischen Aktion und Resultat? Mehr Seiteneffekte?

      Antworten
  2. nic Diefenbach

    Das gibt es – meiner Erfahrung nach – zumindest. Wir haben natürlich auch dynamische Bereiche, sagen wir: interne Kampagnen oder Textanpassungen. Aber sobald wir Templates verändern wollen („der ganze Teasertext soll klickbar sein, nicht nur die Überschrift“) oder Prozesse („lasst uns die Checkout-Formular-Strecke ändern“), betrifft es viele Bereiche (IT muss das Template-Set erweitern, CRM will manche Formularwerte unbedingt und in bestimmtem Format haben). Ab da braucht es eine Organisation, die das Gesamtziel im Auge hat und Änderungen als Chance (oder zumindest als gegeben) und nicht als Problem wahrnimmt. Gute Analysten in einer change-oriented Organisation sorgen für Disruption – dauernde Tests, Anpassungen, auch mal radikale Schnitte. Das ist fordernd für eine klassische Hierarchie.
    Ein Web-Analyst in einer eher beharrlichen Firma muss – da sind wir wieder beim Thema Kommunikation – konspirative Zellen bilden oder einen mächtigen Fürsprecher finden, um überhaupt erst einmal Show Cases erzeugen zu können. Mit denen ist es dann einfacher Change-Management anzustoßen. Wobei das dann wieder nicht die alleinige Aufgabe der Analysten ist, sondern Abteilungsübergreifend passieren muss.

    Die Toolhersteller – um dazu noch was zu sagen – machen ihren Job nicht so schlecht. Sie stellen flexible Werkzeuge bereit. Manchmal verkaufen sie sich etwas zu sehr als Lösung, obwohl sie nur ein Baustein sind, der für sich allein noch nicht hilft. Aber wenn das ein Vorwurf sein sollte, dann höchstens an die Einkaufsmanager, nicht die Verkäufer.

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  3. Bijan

    ‚verkaufe es allen Beteiligten nach dem KISS Prinzip und biete neben Deinem Konzept und dem Abholen aller Beteiligte, Unterstützung und Verantwortungsübernahme an, dann hast Du eine echte Chance. Aber das musst Du erstmal schaffen 😊

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  4. Pingback: Mehr über eVars | Webanalyse auf Deutsch

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