Webanalyse – Die Familienurlaubanalogie

Von | 28. August 2012

Ferienzeit.

Die Zeit im Jahr wenn man die Hektik des Alltags zurückläßt und abschaltet. Wenn man sich auf die wichtigen Dinge im Leben besinnt. Vielleicht ist das ein guter Aufhänger für einen Artikel über die Grundlagen der Webanalyse, die wichtigen Dinge ohne die wir in der Branche nicht auskommen.

Nun denn.

Damit das auch wirklich authentisch daherkommt, schreibe ich den Artikel während der Ferien. Ich bin mit meiner Frau und den 3 Töchtern bei den Schwiegereltern in Algerien. Draußen hämmert die Sonne auf uns ein, im Schatten sind’s 35 Grad. Die Klimaanlage tut ihr bestes, kann aber mit der schieren Brutalität der Hitze nicht mithalten, daher wird sie nur um Mittag herum eingeschaltet. Ansonsten kapituliert man einfach und macht möglichst wenig.

Zum Glück ist das Meer nicht weit entfernt. Wir verbringen in der Regel zwischen zwei und vier Stunden am Tag im Wasser, morgens und spätnachmittags, wenn die Sonne noch nicht oder nicht mehr ganz so doll knallt. Trotzdem habe ich mir am sechsten Tag, ordentlich die Schultern verbrannt.

Zurück zur Webanalyse.

Ziele

Jede Website wurde irgendwann einmal „geboren“. Irgendjemand muß einen Plan gehabt, Geld bewilligt und Aufgaben zugeteilt haben. Aus diesem ursprünglichen Plan wurde dann eine Site.

Daß der Plan im- oder besser explizit festlegen sollte, was genau die Ziele der Website sein sollten, ist eigentlich trivial.

Trotzdem wird es permanent in Blogs erwähnt, ich mache da keine Ausnahme. Fragt man sich natürlich „warum?“. Und die Antwort ist: Na weil es eben anscheinend so trivial doch nicht ist.

Mir fallen diverse Gründe ein, warum eine Firma ohne konkrete Überlegungen zu Zielen trotzdem eine Website einrichten würde, nicht zuletzt „alle haben eine Website!“ Wenn man das so betrachtet, ist die Website ein wenig wie der Teich mit Springbrunnen vor der Firmenzentrale.

Es gibt auch Fälle, wo das Ziel der Website eigentlich vollkommen klar ist, nur das Team das mit der Webanalyse betraut ist, weiß nichts davon oder ist organisatorisch nicht im gleichen Boot.

Wenn die Ziele der Website nicht klar sind, kann und sollte sich die Webanalyse stattdessen an den Zielen der Firma orientieren.

Auch das ist eigentlich trivial, und auch das wird bemerkenswert oft eben nicht gemacht.

Wer weiß, was die Ziele der Firma sind und zu welchem Zweck die Website eingerichtet wurde, hat es leichter Kennzahlen herzuleiten, an denen sich messen läßt wie erfolgreich sie ist.

Der immer wieder gepredigte Ansatz mit den „3 Warum“ hilft: Wenn mich jemand nach einer Zahl oder einem Report fragt und nach dreimaliger Nachfrage immer noch nicht klar ist, inwiefern das relevant für die Zukunft der Firma ist, dann sollte ich in 99% der Fälle den Jemand wieder wegschicken, damit er sich darüber klar werden kann, worum es ihm eigentlich geht.

Die Kollegen im Retail haben es relativ einfach, denn der Umsatz läßt sich meist direkt tracken, es gibt also eine direkte Verbindung zwischen Umsatz und Webanalyse.

Andere Branchen müssen mehr Aufwand treiben, allen voran die Medien, bei denen heutzutage die meisten mit einem fiktiven, berechneten Wert einer Seite arbeiten. Viele Sites dienen als Katalog und Leadgeneration, sowas läßt sich noch halbwegs erfassen. Wenn aber eine Site ausschließlich für’s Branding dient, dann stellt sich durchaus die Frage, wieviel man da mit Webanalysetools eigentlich erreichen kann.

Vielleicht ist die Ferienzeit der ideale Zeitpunkt für eine kleine Mission: Eine Schnitzeljagd durch die Firma, an deren Ende man erstens neue Kollegen kennengelernt hat und zweitens einen guten Überblick gewonnen, was man am sinnvollsten analysieren sollte.

Einfluß

Grundsätzlich hat die Webanalyse immer damit zu kämpfen, daß sie sich irgendwie rechtfertigen muß. Das gilt sowohl für bezahlte Tools wie SiteCatalyst als auch für unbezahlte wie Google Analytics, denn beiden gemein ist, daß das Tool alleine die Arbeit nicht tun kann und man daher Arbeit hineinstecken muß.

Das Problem ist das Ergebnis: Anders als eine Maschine die etwas herstellt, erzeugt ein Webanalysetool nichts. (Ich höre Raunen von hinten und sehe erstaunte Gesichter… Reports? Auf die kommen wir gleich zurück.)

Praktisch alle Kunden sehen Webanalyse als Einstieg und Grundlage, als den ersten Schritt und Teil einer größeren Strategie. Trotzdem ist die Webanalyse im Umfeld des Onlinemarketings ein Sonderfall. Tools wie AdLens oder Test & Target bringen direkt mehr Umsatz und Tools wie Scene7 sorgen für niedrigere Kosten. Der Nutzen solcher Tools ist einfacher zu verstehen als die Notwendigkeit der Webanalyse.

Der Ausweg aus dem Dilemma ist der Webanalyst, oder das Webanalyseteam. Wir.

Wir sind dafür verantwortlich, Daten zu beschaffen und daraus sinnvolle Analysen zu machen. Wir sind diejenigen, aus deren Arbeit sich die Notwendigkeit und der Nutzen der Tools ergeben.

Interessant ist, daß hier eigentlich alles zusammenkommen sollte: Wenn Ziele der Firma und Ziele des Analysten übereinstimmen, ist beiden geholfen. Das führt auch dazu, daß der Analyst Einfluß gewinnt und die Ergebnisse der Webanalyse für Änderungen genutzt werden, was wiederum konkreter Beweis für ihren Wert ist.

Im Grunde bedeutet das nichts anderes als daß ein Webanalyst der sich über mangelnden Einfluß beklagt, durchaus Möglichkeiten finden können sollte, genau das zu ändern. Vielleicht ist die Ferienzeit der ideale Zeitpunkt dafür.

(Und ja: Das ist keine einfache Aufgabe, insbesondere wenn es den „Analytischen Ansatz“ in der Firma so noch nicht gibt. Avinash hat guten Rat: Man sollte mit den Kollegen in der Finanzabteilung anfangen, die arbeiten eh schon mit Zahlen.)

Daten

Daten sind für den Webanalysten, was Kinder für den Familienurlaub sind: Ohne Kinder keine Familie und ohne Daten keine Webanalyse.

Als man noch keine Kinder hatte, konnte man mit dem Rucksack auf Reisen gehen. Paß und Geld dabei? Dann ist alles klar! So ganz so einfach ist das mit Kindern nicht. Man braucht mehr Gepäck und daher mehr Planung. Das fängt mit der Kleidung an und hört bei Sonnencreme und Windeln noch lange nicht auf.

Für uns Webanalysten sind die Daten ähnlich aufwändig. Wir müssen uns überlegen, was für Daten wir wohl brauchen werden. Wir müssen planen, wie wir diese Daten erheben können und vor allem, wie wir sie später präsentieren wollen.

(Zurück zum Einwurf oben: Webanalysetools produzieren natürlich etwas: Reports. Mit ganz wenigen Ausnahmen halte ich die grundsätzlich für wertneutral. Ohne Kontext, Analyse und Aufbereitung sind sie nicht viel wert. Wie gesagt: Ausnahmen bestätigen die Regel. Manchmal kann ein Report eine wichtige Kennzahl schnell und in Echtzeit an die richtige Person liefern. Meiner Erfahrung nach sind Reports aber fast immer zu umfangreich und nicht relevant genug. Analyse und Aufbereitung sind die vergessenen Stiefkinder der Webanalyse.)

An- und Abreise sind mit Kindern komplizierter als ohne. Während man vorher einfach mal irgendwo hinfahren oder -fliegen konnte, egal ob das 2 oder 12 Stunden dauert, muß man sich mit Kindern darum kümmern, daß die Kleinen sich auf der Reise die Zeit vertreiben können. Sonst sind die gelangweilt und quengeln. Das führt zu strengen Blicken der Mitreisenden und generellem Streß. Je besser man seine Kinder kennt desto besser kann man das vermeiden.

Für uns ist die Implementierung eine vergleichbare Strapaze. Wir müssen unsere klare Vorstellung von Datensammlung an Entwicklerteams kommunizieren, die von Analyse oder Datensammlung keinen Schimmer haben (und auch nicht haben müssen!). Wir müssen uns darum kümmern, daß die Datenerfassung am Ende die Daten so in’s System einspeist, wie wir uns das vorgestellt haben. Und auch hier gilt: je besser wir das System kennen, desto besser können wir die Implementierung leiten.

In beiden Fällen ist viel Geduld gefragt und die Fähigkeit, Dinge wieder und wieder zu erklären.

Ferien unterscheiden sich ganz grob in „all inclusive“ und „individuell“. Wer ersteres bucht, kann sich zurücklehnen und entspannen. Dafür hat man aber keinerlei Einfluß darauf, was genau man bekommt. Letzteres dreht das um: man macht alles selber und bekommt daher genau daß, was man will. Mit Kindern ist das etwas anders, die Linien weichen auf. Wer zum Beispiel die Eßgewohnheiten einer Vierjährigen kennt, der weiß a) warum das Wort „krüsch“ erfunden wurde und b) daß ein wenig Kontrolle manchmal einfach sein muß, sonst wird das nichts mit der Entspannung.

Ich kenne Webanalysten, die sich aus Implementierung und Datensammlung komplett heraushalten. Consulting (Adobe oder Partner) und die Entwickler haben das System irgendwann einmal aufgebaut, und was auch immer dabei herauskommt, wird analysiert.

Moment, nein: Und was auch immer dabei herauskommt, wird in Reports gepackt. Ich halte es für unwahrscheinlich, daß man ohne Kenntnis der Datensammlung tatsächlich tiefgreifend analysieren kann. Ohne ein gewisses Grundwissen und ein Quentchen Kontrolle kann man aus dem System einfach nicht das herausholen, was es zu liefern in der Lage wäre. Webanalyse lebt von Veränderungen und Anpassungen, von neuen Ideen und anderen Blickwinkeln.

Analyse sollte immer auch neue Fragen aufwerfen, für deren Beantwortung man oft ganz neue Daten erheben muß. Das sollte man dann auch tun!

Vielleicht ist die Ferienzeit ideal dafür: Keine größeren Releases? Entwicklerteam hat ein wenig Zeit für ein kleines Projekt? Den Zug sollte man nicht verpassen!

Überraschungen

Nachdem der Vergleich jetzt totgeritten ist, setzen wir den Sattel nochmal kurz drauf und ziehen eine letzte Parallele:

Kinder sind die natürlichen Feinde der Vorausplanung. „Am Dienstag sehen wir uns die Grotte an“ war eine ganz normale Aussage, als man noch ohne Kinder unterwegs war. Seit die Kleinen dabei sind, kann man die Grotte grob in’s Auge fassen, aber ob man sich wirklich sehen wird, ist alles andere als sicher.

Wer seine Webanalysedaten genauer unter die Lupe nimmt, findet sich in einer vergleichbaren Situation wieder: Man hat eine grobe Vorstellung, was man wissen möchte, findet aber eigentlich immer irgendwo Hinweise auf interessantere oder wichtigere Phänomene. Manchmal kommen neue Einsichten aus vollkommen unerwarteter Richtung.

Man könnte fast meinen, Webanalyse wäre ohne Daten und die Überraschungen die sie bringen langweilig!

Ein Gedanke zu „Webanalyse – Die Familienurlaubanalogie

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