Meinung: Webanalyse versus Reporting

Von | 6. Juni 2012

Es ist mal wieder Zeit für ein bißchen persönliche Meinung, diesmal zum Thema „Webanalyse versus Reporting“.

Fangen wir mal an mit einer sehr kurzen und überspitzten Definition:

  • Reporting ist, wenn viel Planung für Fragen wie „Wie oft soll das gesendet werden?“, „Da muß noch die XYZ Metrik mit rein“ oder „Wie automatisiere ich das am besten?“ aufgewendet wird und hinterher das Webanalysesystem Emails mit den gesammelten Daten versendet.
  • Analyse ist, wenn jemand irgendwo Daten sieht, „Äh???“ denkt, zwei Tage irgendwo verschwindet und dann mit einer neuen Idee oder 1000 Fragen wieder auftaucht.

Meine Meinung: Reporting ist fast immer Zeitverschwendung. Analyse führt oft zu nichts, manchmal zu großen Änderungen und meistens zu kleinen Detailverbesserungen. Mit anderen Worten: Webanalysten sollten sich auf Analyse konzentrieren.

Reporting

Abgesehen von einigen wenigen Kennzahlen, die idealerweise für den Firmenchef auf Knopfdruck bereitstehen sollten sind Reports den Aufwand nicht wert.

Niemand sieht sich wirklich alle Zahlen auf dem wöchentlichen, 4-seitigen Dashboard an, und niemand nimmt es zur Hand, studiert es eindringlich und ändert dann irgendwo etwas auf der Website. Das ist aber das eigentlich Ziel all derer, die eine Webanalyselösung auf ihrer Website implementieren: Änderungen durchführen, die Site performanter machen!

Reporting hat allerdings einen entscheidenden Vorteil: Wenn es einmal aufgesetzt ist, kann man es komplett ignorieren.

Analyse

Analyse hingegen erfordert Zeit und Interesse.

Ansatzpunkte gibt es überall: Fast jeder Report enthält Zahlen, die aus dem Rahmen fallen und die man genauer untersuchen könnte. Fast jedes Tool stellt Daten zur Verfügung, mit denen man tiefer analysieren kann.

Analyse lebt von Wissen und Neugier.

Ein erfahrener Mitarbeiter der das Geschäft kennt und im besten Fall die Kunden, kann schneller und besser erkennen, wo sich eine Analyse lohnt und wo nicht. Er kann auch besser beurteilen, ob die Ergebnisse einer Analyse sinnvoll und nützlich sind. Die treibende Kraft hinter Analyse ist Wissensdurst. Ob und wieviel davon die beteiligten Personen mitbringen, hängt von der Person selber ab, von der Kultur im Unternehmen, und natürlich von den direkten Mitarbeitern.

Analyse braucht Zeit.

Wer schon einmal einer brennenden Frage im Internet nachgegangen ist kennt den Effekt: Man will nur kurz etwas nachsehen und schon ist Feierabend. Genau so geht es bei einer interessanten Analyse. Fragen führen zu mehr Fragen, Daten fordern mehr Daten und Details sind nie detailliert genug.

Analyse ist riskant.

Wer eine Analyse startet weil er merkwürdige Daten sieht oder einer Theorie oder einer Frage auf den Grund gehen will, der weiß natürlich vorher nicht, ob dabei greifbare oder nützliche Ergebnisse herauskommen oder ob die Übung im Sande verlaufen wird.

Je nach Umfang der Analyse kann durchaus ein relevanter Teil der Arbeitszeit nötig sein. Wenn hinterher kein Nutzen gezogen werden kann, ist das natürlich ärgerlich. Hier kommt dan wieder die Erfahrung in’s Spiel: Wer so etwas oft tut, kann irgendwann schon recht früh einschätzen, ob es sich lohnt.

Analyse ist manchmal ziellos.

Analyse kann wie Grundlagenforschung sein. Konkret bedeutet das, daß man manchmal seinem Chef nicht so genau sagen kann, was man eigentlich letzte Woche getan hat. Das geht nicht immer, völlig klar.

Analyse führt manchmal zu kleinen Revolutionen.

Der wichtige Teil dabei ist das „manchmal“. Wenn das aber passiert hat man als Webanalyst die Chance sich entsprechend zu positionieren.

Und selbst wenn eine Analyse keine Revolution auslöst: Fast immer führt sie zu mehr Verständnis und das ist immer gut.

Menschen

Ob in einer Firma oder Abteilung Reporting oder Analyse die Oberhand haben, liegt zumeist an den beteiligten Personen und an der Unternehmenskultur. Aspekte wie Jobtitel, Ansichten des direkten Vorgesetzten oder Rückhalt und Respekt der Kollegen spielen eine Rolle.

Weniger wichtig scheint mir die Wahl des Systems zu sein. Ein motivierter Analyst kann mit fast beliebigen Tools gute Analysen fahren, in der Firma die nötigen Einsichten liefern und dabei seinen eigenen Stand festigen.

Was passiert, wenn weniger motivierte Analysten mit einem Highend Tool arbeiten, habe ich zu häufig gesehen: Verwirrung, keinerlei Mehrwert, Unzufriedenheit und am Ende Kündigung des Vertrages (sinnvollerweise!)

Blogs überall auf der Welt weisen zurecht immer wieder darauf hin, daß man in Menschen investieren sollte, weniger in Tools. Ich würde allerdings noch etwas weiter gehen: In Analysten investieren und in das richtige Umfeld für sie! Analysten sind nur dann produktiv, wenn sie analysieren können. Und ja: Das kostet Geld.

Auch wer nicht die Zeit oder Expertise hat, sich um Webanalyse zu kümmern und sich daher externe Hilfe beschafft, sollte nicht vergessen: Reporting ist das Geld nicht wert, fragen Sie lieber nach Analysen und strategischer und taktischer Beratung.

7 Gedanken zu „Meinung: Webanalyse versus Reporting

  1. Andre_Hell

    Hallo Jan,

    ich stimme Dir zu 100% zu.
    Leider sind nicht immer alle wichtigen Faktoren wie Erfahrung im Business/ mit Kunden, Erfahrung mit den Tool und Zeit für Analyse gegeben.
    Gerade als Dienstleister ist es schwierig dem Kunden unbestimmten Aufwand (Zeit für Analyse) deutlich zu machen und letztendlich in Rechnung zu stellen. Hier sind auch Verkäuferqualitäten gefragt.
    Die Erfahrungen mit dem Tool sind sehr wichtig. Ich arbeite mich gerade zum Beispiel in ein HighEnd Tool ein und verirre mich gelegentlich. Hier kann ich mich jedoch auf erfahrene und geduldige Kollegen verlassen. Sofern also irgendwo die Kompetenz vorhanden ist, können persönliche Schwächen durch Neugier ausgemerzt werden. Außerdem lernt man so das Tool sehr gut kennen.
    Erfahrung im Business ist meinen Meinung nach der letzte der drei Punkte. Nicht unwichtig, aber in Reihenfolge erst die Nr. 3. Wichtig ist unregelmäßig keiten in den Zahlen zu erkennen. Zyklische Unregelmäßigkeiten die sich erkären lassen gibt es eigentlich im jedem Business, wie stark und wann vor allem sie sich ausprägen lernt man dann mit der Zeit. Aber wenn als Analyst nicht in der Lage ist Beziehungen zwischen der Zahlenwelt und dem realen Leben herzustellen, dann bringt auch die Business Erfahrung nicht viel. Zumindest ist das meine Meinung.

    Beste Grüße und einen schönen Tag.
    Andre

    Antworten
    1. jexner

      Hm… gibt es das? Leute mit Business Erfahrung, die nicht Business und Zahlen korrelieren können? Das wäre ein ziemliches Handicap in unserer Branche…

      Antworten
  2. datenonkel

    Vielen Dank für den Beitrag und auch Andre für den Hinweis darauf.
    Ich sehe das mit dem Reporting an sich nicht so dramatisch. Es wird gebraucht. Leider wird es nur zu oft falsch aufgesetzt und verbreitet. Dashboards sollten auch keine 4 Seiten haben 😉 Die Schwierigkeit besteht aus meiner Sicht darin, auf der einen Seite darin dem Kunden klar zu machen, dass der i.d.R. zu viele Zahlen will und auf der anderen Seite den „Berater“, dass er nur dann ein Geschäft macht, wenn die Zahlen im Unternehmen auch genutzt werden.
    Es sollte erheblich mehr Energie in die Konstruktion zielgruppenspezifischer KPIs und deren Kommunikation gesteckt werden als es derzeit vielfach getan wird. Reports im Web-Analytics System selbst werden zu schwach genutzt. Man ann Zahlen ja auch in Excel packen und per E-Mail verschicken (elaborierter als mit Onmiture Board-Mitteln) oder per Schnittstelle in einem Intranet präsentieren. Dann geht es schon etwas besser. Zusätzlich muss man dafür sorgen, dass kritische Ereignisse nicht verschlafen werden (Stichwort Trigger). Und: Schulen, schulen, schulen.
    Ja, damit wären wir beim Analysten. Das ist zumeist auch ein gefährliches Ding – besonders hinsichtlich der Kosten und des Menschen. Ich bin hier der Meinung, dass es sich weniger um eine Person handeln muss, die selbst an Reports herumkonfiguriert. Es sollte vielmehr ein „Stupser“ sein, der die fachlich Verantwortlichen zu Handlungen treibt. Sein Qualifikation sollte er im Idealfall beim QBF Institut erworben haben … (Qualifizierter Blick aus dem Fenster).

    Grüße auf die Insel
    andreas

    Antworten
    1. jexner

      Ein Stupser mit QBF-Qualifikation (kannte ich noch nicht, super!) ist wichtig, ich dachte allerdings an einen Stupser, der vor der Interaktion mit Fachbereichen eben schon tiefer analysiert hat.

      Ich glaube, man kann von Verantwortlichen in Fachbereichen nicht erwarten, daß sie sinnvolle analysen selber in Angriff nehmen oder zuende bringen. Das muß imho der Analyst tun.

      Einig sind wir uns, was „i.d.R. zu viele Zahlen“ angeht, das ist aber am ehesten intern vermittelbar, denn Anbieter haben da naturgemäß wenig Vorschussloorbeeren…

      Antworten
      1. datenonkel

        Jan, wir sind uns einig! Alleine die fachliche Qualifikation des Analysten ist die Frage. Ich habe das Gefühl, dass diese Stellen in den Unternehmen mit Leuten ohne ausreichende Erfahrung besetzt werden. Ich hatte öfter mit „Analysten“ zu tun, die etracker-Erfahrung (1.Job) hatten und dann auf ein Enterprise-System gesetzt wurden (2.Job). Das tut nicht. Wichtiger ist n.m.E., dass die schon einige Websites betrieben haben. Dann fällt die Analyse sichtlich leichter

        Antworten
  3. Auch, Jan :-)

    Ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten, dass zu wenig Aktionen durchgeführt werden. Es ist m.E. so, dass viele Unternehmen sich häufig tot analysieren und dann an der Umsetzung scheitern. Da brauchen dann selbst irgendwelche winzigen Änderungen mehrere Abteilungen – oft sogar den Vorstand oder Geschäftsführer persönlich. Das geht gar nicht. Da hilft das viele Analysieren nicht.

    Ein geübter Webanalyst kann doch locker auf fast allen großen deutschen Websites irgendwelche fetten Stolpersteine entdecken. Wenn man dort dann nachfragt, wieso die das nicht geändert haben, dann ist es entweder Zeit, die gefehlt hat oder irgendwelche Stakeholder haben sich dagegen gesperrt. Um es mit den Worten von IBM zu formulieren: „Wenige reden, mehr machen.“

    Antworten
  4. Pingback: Wieviele Jahre hängen wir hinterher? - Webanalyse auf Deutsch

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.